Die hier angebotene Standuhr, oder wie Kienzle es selbst damals so schön nannte, Haus-Uhr entspricht dem damaligen Zeitgeist der neuen Sachlichkeit und aufkommenden deutschen Moderne.
Kunstgewerbeschulen wie das Bauhaus oder die Burg Giebichenstein sind Brutnester dieses neuen Denkens,....befreit vom Kitsch und überflüssigem Zierrat und konzentriert auf das Wesentliche.
Die schwarzwälder Uhrenfabrik Kienzle, schon damals weltberühmt für qualitative Uhren und Messgerätschaften wie zB Tachometer, spürte wie viele andere Uhrenfabrikationen die Schockwellen der Wirtschaftskrise der 1920er Jahre enorm.
Eine hohe Arbeitslosigkeit und eine daraus resultierende geringere Kaufkraft sorgten schon bei vielen Mitbewerbern zu Schließungen.
Kienzle entkam dieser Krise aber besser, durch bereits mitte der 20er Jahre optimierte Verfahrensabläufe nach amerikanischem Vorbild. Zudem durch ein offenes und modernes Marketing auf breiter Front, welches seit 1931 Einzug nahm.
Gegenüber Mitbewerbern positionierte der neue Vorstandsvorsitzende Schmoller (vormals bei DUFA) Kienzle noch mehr als zuvor als Qualitätsmarke. Eine solide Verarbeitung, bessere und hochwertige Materialien und ein gutes Design sollten die zukünftige Strategie sein. Der Einzug der Moderne spiegelte sich auch ausserhalb der Uhren Produkte wieder.
Der 1928 errichtete neusachliche Bau der Gehäusefabrikation erinnert an Bauhausentwürfe.
Deutschlandweit fuhren neuzeitliche, stromlinienförmige und aufs Design gerichtete Kienzle-Schaulastwagen durchs Land.
Diese 16 meter langen Austellungswagen waren ein Novum und oft umlagert, wo sie auch auftauchten - Luxus, Qualität und Eleganz. Ausgestattet, so daß 75 Menschen in den ausgestellten 4 Geschossen Platz fanden.
Innen mit einer Uhrenausstellung für Fachleute, aussen mit Schaukästen fürs Publikum. Mit eigener Radio, Grammophon und Lautsprecheranlage, sowie 2 Betten, 6 Stahlrohrsesseln, Wasch und Spülstellen und einem Eisschrank. Zur damaliger Zeit ohne Konkurrenz.
Dieses Ziel war nur mit, und durch Heinrich Möller machbar, der durch die Übernahme der Dufa zu Kienzle wechselte.
Lange bevor ein Max Bill oder Dieter Rams für Junghans bzw. Braun die Uhr als Designobjekt wahr nahmen, war Heinrich Möller der Wegbereiter im modernen Uhrendesign und stilbildend für die folgenden Jahrzehnte.
Heinrich Johannes Möller:
- 21.04.1905 Wiesbaden- 21.02.1983 Villingen Schwenningen.
- 1920-1926 Lehrling und Geselle als Tischler bei Heinrich Roth mit anschliessenden Jahren der Praxis.
- 1926-1927 Fachschule für Tischler in Blankenburg.
- 1927-1931 Anstellung als Designer für die Gestaltung neuzeitlicher Gehäuse und Ausstellungsräume bei der deutschen Uhrenfabrik AG DUFA in Mühlhausen/Thüringen.
- Ab 1931 durch die Übernahme der wirtschaftlich angeschlagenen DUFA von Kienzle übernommen.
- Bei Kienzle ab 1931 Leiter des Entwurfs und Architekturbüros mit gestalterischer Gesamtkonzeption von Kienzle.
Bereits 1932 erlangte Kienzle beim Designwettbewerb der Gesellschaft für Zeitmesskunde und Uhrentechnik die Hälfte aller Preise und auch 1940 erhielten Möllers Entwürfe die Goldmedallie bei der Triennale in Mailand für gutes Design.
Die hier angebotene Hausuhr dürfte eine der seltensten Uhren Heinrich Möllers sein - damals wie auch heutzutage.
Sie wurde erstmals im Katalog 634 von Kienzle 1934 gelistet, und war letztmalig im Katalog 139 von 1939 aufgeführt.
Der damalige Kaufpreis im 1938er Katalog 836 betrug 210 Reichsmark,- was zu dem Zeitpunkt schon ein enormer Betrag war.
Sie kostete in etwa so viel, wie die aufwändigste Werksvariante als Eichenstanduhr mit 1/4 stündigem Westminsterschlag.
Denn neben den neuen Materialien und mondänen , avangardistischen Entwürfen, bot Kienzle natürlich auch weiterhin alttraditionelle Modelle in klassischem Uhrenbau aus Eiche oder Nußbaum an.
Nicht jeder konnte und wollte sich mit soviel neuem Design umgeben. Zeitgleich zu diesem Aufbruch der Moderne hielten
die Nationalsozialisten Einzug in die deutsche Bevölkerung und viele ähnlich moderne Objekte und Kunstgegenstände galten als entartete Kunst , selbige Künstler wurden verfolgt, oder waren Repressalien ausgesetzt.
So wurden von dieser Uhr - nach Auskunft eines Gespräches vom Sohn von Heinrich Möller mit dem Direktor des deutschen Uhrenmuseums nur ca 50 Exemplare in all den Jahren hergestellt.
Umso logischer ist es, dass es von diesem Exemplar heutzutage nahezu kaum noch Modelle gibt.
Eine derart moderne, mondäne und elegante Uhr war in der Regel eher in den Großstädten wie Berlin, Hamburg, Dresden, Stuttgart zu finden, und nicht auf dem oft noch bäuerlich mehr geprägten Land.
Kriegsbedingt wurden aber gerade die Städte flächendeckend bomdadiert und zerstört. Eine kleine Tischuhr konnte man bei der Flucht auf das Land noch einpacken,....eine Standuhr blieb in der Regel aus logistischen Gründen einfach stehen und wurde ihrem Schicksal überlassen und ggf zerstört,....gerade wenn sie so graziel und filigran wie diese war. Das ungeschützte Glasziffernblatt dürfte viele Bombardements und ggf dennoch erfolgte Fluchtversuche/Auslagerungen nicht lange überstanden haben.
Uns sind nach bisherigen und ausführlichen Recherchen nur 2 weitere Exemplare bekannt, wovon sich eins im deutschen Uhrenmuseum befindet. Es mögen natürlich noch 1-3 Exemplare in unbekannter Hand geschätzt vorhanden seien...bei einer derart geringen Anzahl an produzierten Exemplaren , wird man diese aber an wenigen Fingern abzählen können.
Ohne esoterisch wirken zu wollen, aber diese Standuhr hat ein beruhigen Charakter.
Zum einen durch das zeitlose, geradlinige zurückhaltende, und dennoch elegante Design, zum anderen durch die Technik.
In all der Zeit wo sie nun bei uns läuft gibt das sanfte Ticktack im Hintergrund eine solide Geschwindigkeit vor.
Halbstündig durch einmaliges, oder zur vollen Stunde nach der jeweiliger Uhrzeit mehrmaliges Schlagen der wohlklingenden Glocke ist wie ein kleines Privatkonzert. Aber wirklich nicht störend. Zudem kann man den Glockenschlag auch abstellen, wie auch mittels kleinem zu ziehendem Bindfaden an der Unterseite des Gehäuses erneut klingen lassen.
Gepaart mit dem luftigen zeitlosem Design und der angenehmen Größe wirklich bezaubernd.
In der heutigen hektischen Zeit, wo man die Uhrzeit auf jedem Mobiltelefon, Radio oder Bildschirm ruckzuck erfahren kann,
erdet diese Uhr, was uns selbst überraschte.
Die Uhr befindet sich in einem traumhaften Zustand-absolut museal - da absolut vollständig und original.
Selbst der Aufkleber des damaligen Uhrmachers ist neben einer handschriftlichen Notiz von 1939 noch vorhanden.
Ob es das Produktionsdatum ist, oder nur ein Vermerk eines Uhrmachers ist unbekannt.
Die lackierten Holzteile aus tiefschwarzem Klavierlack sind komplett original.
Altersgemässe Schwundrisse im Lack erzeugen eine liebenswerte und eben originale Patina, die es zu erhalten gilt.
So wurden diese Lackteile konservatorisch mit einem ph neutralem Museumswachs geschützt.
Die verchromten Elemente wie Ziffern, Zeiger, Pendel, Gewichte, wie auch Stahlrohrstützen und Auflageteller weisen noch den originalen Chrom auf und befinden sich ebenso in einem sehr schönen Zustand.
Das Pendel zeigt auf dem Pendelteller leichte punktuelle Unebenheiten, die aber weiterhin nicht stören.
Das Uhrwerk läuft wunderbar und weist auch nach einer Woche kaum bis wenig Versatz zu einer funkgesteuerten Digitaluhr auf. Man kann die Uhr natürlich auch einstellen und korrigieren falls nötig. Standuhren sollten zudem vor Ort von einem Uhrmacher auf und eingestellt ,wie auch nivelliert werden, - ähnlich einem Klavier, welches nach einem Transport neu gestimmt werden muss.
Die Uhr kann weltweit verschickt werden. Der Transport würde liegend erfolgen. Gewichte, Pendel, und ggf Ziffernblatt und Uhrwerk würden demontiert und einzelnd gelagert verstaut. Bitte fragen Sie uns diesbezüglich.
Gerne können wir Ihnen auch ein kleines Video von der laufenden Uhr schicken.
Preis auf Anfrage.